Hauptprogrammpunkt war für mich auf dem Elevate Festival in Graz die Podiumsrunde Commons of The Mind mit DJ Spooky a.k.a. Paul D. Miller (US), Kaitlin Thaney (US), Ronaldo Lemos (BR), David Bollier (US), Michael Tuck (US).
Ich greife mir im Folgenden einige Punkte der Diskussion heraus, da ich leider nur einen kurzen Wortbeitrag hatte: Es wurde etwa das Beispiel der derzeit bekanntesten brasilianischen Band angeführt, die so populär geworden sei, dass irgendwann Fernsehsender nicht auf sie verzichten konnte. Hier wird mit der Diskursfigur des “Erfolgreichen” argumentiert, der eben sein Glück vom Tellerwäscher zum Millionär gemacht habe. Sicher gibt es das – nur kann man davon ausgehen, dass die Verteilung von Bands und ihr Erfolg eher wie eine Pyramide aussehen dürfte: den sehr, sehr wenigen finanziell erfolgreichen stehen viele unbekannte Bands entgegen, die mit eigenem Geld ihre Musik subventionieren. Und da sind wir beim Kern des Problems: wie sollen sich Künstlerinnen und Künstler finanzieren?
Was derzeit passiert, ist das aufgenommene Musik eben nicht nur “frei” und “verfügbar” sondern schlicht und ergreifend zur Werbung wird. Etwa am Beispiel der Touren von Bands, die früher die Plattenverkäufe finanzieren sollten, wo heute umgekehrt die Musik eher als Zusatz und Kundenbindung zum Konzert wird. Der Haken an der Sache ist nur, dass jede Band sehr viel Geld in die Produktion von Musik stecken muss, bis irgendwann Einnahmen zu erwarten sind (oder bei ausbleibendem Erfolg auch nicht – das nennt sich dann unternehmerisches Risiko). Zumeist passiert das ja freiwillig aus Begeisterung und nicht als geplante, wirtschaftliche Tätigkeit. Zumal bei dem Konzert oder der Party wieder wie beim iPod (ein Hinweis von Johannes Grenzfurthner) ganz klassisch das materielle Gut gekauft werden muss: wer kein Geld bezahlt, scheitert am Türsteher. Da ist es wieder die Grenze zum materiellen Gut, dass sich nicht ohne Bezahlung aneignen lässt.
Leider geht hier die Diskussion um Commons zumeist nicht weiter und fragt, ob es nicht auch vielleicht generell kritikwürdig sein könnte, dass Produkten menschlicher Arbeitskraft ein Wert bemessen wird, und worin dieser Wert bestehen könnte (dazu könnte evtl. Stefan Meretz von keimform.de etwas mehr erzählen, der im Rahmen des Elevate am Samstag spricht).
Auf der Podiumsdiskussion wurden Plattenlabels als böse ausgemacht, da diese bisher den ganzen Profit der Artists weggenommen hätten. Was so meines Erachtens nicht stimmt, denn sieht man sich kleine Labels an, sind dort in den meisten Fällen selbst Leute aus der jeweiligen Musiksparte beschäftigt, die durch puren Enthusiasmus die Musik promoten. Wobei es eben auch etwas vorteilhaftes sein kann, wenn Musikerinnen und Musiker sich nicht selbst noch um die Vermarktung, Verpackung etc. kümmern müssen und diese Aufgabe outsourcen. Und ich sehe auch nicht, dass mehr bei Musikerinnen und Musikern hängen bleibt: Heute gibt es den iTunes-Store, der am Geschäft mit den legalen Downloads mitverdienen will und ordentlich Prozente von den Einnahmen abkassiert.
Und an all dem genannten ändern auch Commons nichts – nach wie vor müssen Musiker ein warenförmiges Angebot produzieren mit der Wette darauf, dass es sich irgendwann mal in Geld umwandeln lässt. Und das funktioniert für die meisten nicht. Vor allem ist die Voraussetzung dafür, dass soviel Kapital vorhanden ist, um zunächst die Ausgaben zu bestreiten. Und damit meine ich nicht reich werden, sondern die Miete bestreiten, Instrumente und Software bezahlen etc.
Insofern ändert sich eher der Stellenwert von aufgenommener Musik: diese wird von einer Ware zur Werbemaßnahme. Man könnte sich an der Stelle nochmal Adorno zur Hand nehmen und im Kulturindustriekapitel der “Dialektik der Aufklärung” nachlesen, was er schon 1944 zu der Umwandlung von Musik in Ware und Werbung zu sagen hatte.
Im Endeffekt lautet das heutige Credo, dass Musik umsonst und überall verfügbar sein sollte. Aber wer kann sich die Herstellung davon leisten? Nur Menschen, die über genügend Geld verfügen, um die Werbemaßnahmen für ihre Produkte bezahlen zu können. An dem Zwang zum Geldverdienen durch Warenproduktion ändern Commons nichts, sie verändern aber die Spielregeln. Ist das jetzt gut oder schlecht? Und im Zweifelsfall kritisiere ich erstmal die negativen Seiten kapitalistischer Umwälzungsprozesse, die sich als Zwang darstellen. Ich kann mir als Kleinstproduzent schließlich nicht aussuchen ob ich mitmache oder nicht – entweder passt man sich den veränderten Marktgesetzen an oder es folgt – wie Karl Marx das formulierte – die Strafe des Untergangs. Insofern würde ich das Dilemma so sehen: immer mehr Menschen haben den Zugang zu Produktionsmitteln für Kunst (und vielleicht generell immaterielle Güter), aber dafür kann keiner mehr davon leben.
Im übrigen wurde recht indifferent auf dem Podium zwischen Piraterie und Commons herumlaviert, ohne darauf hinzuweisen, dass zwischen beiden doch erhebliche Unterschiede bestehen: ersteres ist ein bestehende, illegale Praxis, während letztere auf eine Legalisierung einiger bestehender Praxen hinausläuft. Nur: Musik mit gesampletem Material gibt es doch bereits – wozu brauche ich dann eine rechtliche Regelung wie die “Creative Commons”? Zentral scheint mir hier der Aspekt der Verrechtlichung zu sein – und ob man das möchte, kann jeder und jede noch für sich selbst überlegen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Statt Commons als Idee hochzuloben und als Wundermittel gegen alle bestehenden Probleme anzupreisen, würde ich den Diskurs gerne um den Materialismus der Commons und die konkreten Arbeits- und Lebensverhältnisse der in der Kulturindustrie Beschäftigten erweitern. Nicht dass es an den jetztigen Verhältnissen der Rechteverwertung etwas zu verteidigen gibt. Nur sollte man hier zwischen Reform der Verwertungsbedingungen und genereller Kritik an der ganzen Sache differenzieren (wobei ich auch nicht das eine gegen das andere aufwiegen will).
Ein Interview mit mir zu der Thematik wird demnächst auf Radio FM4 zu hören sein.