Warum es notwendig und richtig sein kann, sich gegen “Politische Kunst” zu positionieren, lässt sich an verschiedenen Beispielen aus der Praxis aufzeigen. Einfach gefragt: was qualifiziert Künstlerinnen und Künstler eigentlich dazu, sich zu komplexen, politischen Sachverhalten zu äußern?
Oft folgt hier Kunst der Logik der Werbung: komplexe Sachverhalte werden auf simple Formeln mit klarer Ansage reduziert. Für mich ein Beispiel von völlig mißlungener Kritik mit Street Art und urbanen Internventionen sind die Arbeiten, die auf der aus Polen stammenden Website peterfuss.com) präsentiert werden. Eine Serie mit dem Namen “War has started” will vermeintlich Krieg anprangern, verliert sich aber in einer katastrophalen Bildsprache. Soldaten werden mit Schweineköpfen dargestellt und natürlich darf der Hinweis auf Abu Ghraib nicht fehlen – die USA sollen angeprangert werden. Die Klassifizierung von Soldaten als “Schweine” liefert keine Erklärung, warum Kriege existieren oder falsch sein sollten, pauschal werden Soldaten eben als moralisch minderwertig dargestellt. “Bullenschweine” ist ein beliebtes Schimpfwort für Polizisten, das wenig Platz für andere Assoziationen außer rohem Hass lässt.
Die Metapher der Klassifikation von Machtmenschen als Schweinen mag schon in George Orwell´s “Animal Farm” nicht besonders originell gewesen sein, viel schwerwiegender ist aber, dass bis heute gerne Nazis jüdische Einrichtungen mit Schweineköpfen schänden und die Schmähung “Judensau” eine lange Tradition bis zurück ins Mittelalter aufweist (wie die Tradition dieses Begriffs in Polen aussieht bleibt offen). Diese Lesart wird in der “Schweine”-Serie zumindest nicht ausgeschlossen.
Und so geht es bei Peter Fuss weiter. Vermeintlich kritisch werden politische Themen aufgegriffen, die allesamt an Flachheit nicht zu überbieten sind. “Who killed Barack Obama?” wird auf einem riesigen Billboard mit einer Stencil-artigen Obama-Figur gefragt, um damit nur einen beliebten Mythos der heutigen Zeit stumpf zu wiederholen (ich selbst habe irgendwann aufgehört zu zähle, wie viele verschiene Leute in meinem Bekanntenkreis mir diesen Gedanken offenbarten). Oder es werden auf schwarzen Plakatflächen an einem Bahnhof arabische Worte mit der entsprechenden Übersetzung angebracht. So lautet die Unterzeile eines Satzes etwa “This means peace.” Aber welche Erkenntnis folgt daraus? Dass auch Arabisch eine Sprache darstellt, mit der sich ganze Sätze artikulieren lassen? Dass auch auf Arabisch das Wort “Frieden” existiert?
Hier werden keine Vorurteile bloßgestellt, sondern selbst Plattitüden verbreitet. Es findet keine Kritik an der Funktionsweise von Werbung statt, es wird die Logik der Werbung übernommen und verdoppelt: möglichst einfach und flach soll es sein. Das Reflexionsniveau wird absichtlich heruntergeschraubt, hier gibt es nichts zum innehalten oder nachdenken, alle Rätsel sind aufgelöst, der Sinn ist entzaubert. Ob sich so Botschaften in die Köpfe der Menschen einhämmern lassen, darf bezweifelt werden.
PS: Nicht ob Kunst politisch sein sollte oder nicht wäre zu fragen, sondern was die Mindestbedingungen für politische Kunst sind. Als Beispiel für eine differenziertere Auseinandersetzung mit Staatsmacht möchte ich auf eine Arbeit von Banksy verweisen (siehe sein Buch “Wall and Piece”, S.34), in der er zwar keine Soldaten aber bewaffnete Riot-Police abbildet: Ein lebensgroßer Stencil zeigt in schwarz-weiß den Körper eines Polizisten mit Maschinengewehr; unter dem Visier seines Helmes befindet sich anstelle eines Gesichtes ein gelber Acid-Smiley. Der Smiley wirkt befremdlich, er verstört durch den Kontrast aus roher Gewalt und der symbolisierten Freundlichkeit des lächelnden Gesichtes. Die Assoziationen sind hier vielfältig: verbirgt sich die Macht hinter Freundlichkeit? Hat der betreffende Polizist Spaß an der Gewalt? Was verbirgt sich hinter der Maske? etc. Gerade durch die Nicht-Auflösung, das Rätselhafte funktioniert das Bild von Banksy. Im Unterschied dazu gibt es bei PeterFuss nichts zu entschlüsseln: der Schweinskopf ist keine Maske, die es zu entschlüsseln gilt; es verbirgt sich nichts dahinter. Wo Banksy auf den diffusen Charakter von Macht verweist (letztenendes verweist der Smiley als Artefakt aus der Lebenswelt auf den Betrachter oder die Betrachterin zurück), gibt es hinter dem Schwein nichts mehr. Es repräsentiert unmittelbar das “Schweinesystem”, es muss abgeschlachtet werden.