Die tollsten Verrenkungen unternimmt die hiesige Bourgeoisie, um eine deutsche Résistance gegen die Nazis erfinden. Da wird verdreht und gelogen bis sich die Balken biegen. Hauptsache zum Schluß kommt der gute Nazi wie etwa Claus Schenk Graf von Stauffenberg heraus. “Es war nicht alles schlecht unter Hitler” und getreu diesem Wahlspruch wird die Geschichte umgedeutet und Fußnoten der Geschichte ins Zentrum gestellt um daraus für die nationale Sache Kapital schlagen. Dazu werden dann Kinofilme gedreht, die an Propagandastreifen erinnern. Eins zu eins soll die deutsche Version der historischen Wahrheit in die Köpfe gepflanzt werden.

Die Berlinale eignet sich dann hervorragend zur Vorführung der neuesten Errungenschaften. Einerseits gibt man sich betont weltoffen und tolerant, andererseits werden gezielt “unsere” Filme und Stars ganz unaufällig in den Vordergrund gehoben. Product-Placement der unverschämtesten Art.

Ein weiteres Beispiel für diese Dummdreistigkeit ist Florian Gallenbergers “John Rabe”. Da erdreistet sich der Regisseur nicht, John Rabe im 3sat Interview am 6.2. als “irrtümlichen Nazi” zu deklarieren, denn er hätte Nazi-Deutschland nur aus dem Völkischen Beobachter her gekannt bis 1937.

Aber Leuten, die ihr historisches Wissen aus dem SPIEGEL beziehen, halten wahrscheinlich auch diese Version der Geschichtsumdeutung für plausibel. Weniger, dass sich ein Regisseur als Bauchredner des deutschen Nationalgefühls betätigt ist skandalös, als eben dieses Nationalgefühl selbst.

Inzwischen fühlt sich die Nation so selbstsicher, dass man einen weiteren Generalangriff auf die Geschichte unternimmt. An verschiedenen Stellen wird an dem Projekt der Rehabilitation der deutschen Ehre gearbeitet. Mit der Schuld will man sich nicht mehr befassen, stattdessen werden positive Vorbilder gesucht, die das Vergangene repräsentieren sollen. Die Schuld ist vom Kollektiv abgearbeitet worden, es wurden in den vergangenen Jahrzehnten die eigenen Familienbiographien durchwühlt und sich daran aufgerieben.

Und da schon Hollywood Filme zu Schindler und Stauffenberg lieferten, will Deutschland dem in nichts nachstehen. Und richtet seine Belehrungen gleich nach außen: schließlich hätten die Japaner ihre Geschichte noch nicht richtig aufgearbeitet, so Gallenberger im oben genannen Interview. Jeder soll durchmachen müssen, was die Deutschen Jahrzehnte an sich selbst vorexerziert haben. Das kann man wohl ohne weiteres als Transnationalisierung des Holocaust bezeichnen, der inzwischen mal nach Serbien, mal nach Japan verlagert wird.

Wenn es in diesem Tempo weitergeht, dichtet man wahrscheinlich Adolf Hitler noch eine jüdische Großmutter an. Denn womöglich hat der Führer auch nichts von alledem gewußt! Die deutsche Wochenschau muss weitergehen.